Sebahattin Çelebi, Frankfurt
Die Geschichte des Segens, der vom Himmel fällt, ist eine der ältesten Erzählungen der Menschheit. Die wundersame Speise, die laut der heiligen Schriften vom Himmel herabkam, taucht in verschiedenen Kulturen und Religionen auf. Dieses außergewöhnliche Ereignis wurde als „Rettung für hungernde Völker“ und als „greifbares Zeichen göttlicher Gnade“ angesehen. Was aber ist diese wundersame Speise, die in den heiligen Texten als „vom Himmel fallendes Manna“ bekannt ist? Und wie wurde sie in den verschiedenen Glaubenssystemen interpretiert? Die folgende Spurensuche zeichnet die „Geschichte dieser göttlichen Gabe“ nach.
Manna in der Thora: Lebensquelle in der Wüste
Die in den jüdischen heiligen Texten erzählte Geschichte beginnt mit den Schwierigkeiten, denen sich die Israeliten nach ihrem „Auszug aus Ägypten“ in der Wüste ausgesetzt sahen. Nach der Durchquerung des Roten Meeres unter der Führung von Mose standen sie in der Wüste Sin vor dem Hunger. Sie klagten: „Wären wir doch in Ägypten geblieben, dort gab es wenigstens Brot zu essen.“
Wie im Buch Exodus der Thora berichtet wird, sprach Gott zu ihnen: „Ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen“ (Exodus 16:4). Am nächsten Morgen bedeckten „kleine, weiße, koriandersamenähnliche Körnchen mit dem Geschmack von Honig“ den gesamten Wüstenboden. Die erstaunte Frage der Israeliten, „Man hu?“ („Was ist das?“) soll dieser himmlischen Speise ihren Namen gegeben haben: Manna.
Das Manna ermöglichte es den Israeliten, „vierzig Jahre lang in der Wüste zu überleben.“ Es fiel jeden Morgen vom Himmel und schmolz, sobald die Sonne aufging. Den Auslegungen der Thora zufolge war das Manna nicht nur Nahrung, sondern auch eine „Prüfung des Gehorsams gegenüber Gottes Geboten.“ Zudem war es eine „Lektion gegen die Gier“: Gott befahl den Israeliten, jeden Tag außer am Sabbat nur so viel zu sammeln, wie sie für den Tag brauchten. Bei denen, die mehr als nötig anhäuften, wurde das Manna „wurmig und begann zu stinken.“ Am Freitag jedoch sammelten sie die doppelte Menge, und „wundersamerweise verdarb diese nicht.“
Das himmlische Brot im Evangelium
Im Evangelium knüpft Jesus Christus an das Manna-Wunder an, um eine „zentrale theologische Lehre zu verkünden.“ Im Johannes-Evangelium sagt Jesus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben; mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, welches vom Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt“ (Johannes 6:32-33).
Jesus bezeichnet sich selbst als „das Brot des Lebens“ und erklärt, dass diejenigen, die physisches Brot essen, wieder hungrig werden, während jene, die an ihn glauben, niemals hungern werden. Dies stellt im Christentum die „Umwandlung von materieller zu geistiger Nahrung“ dar. In der christlichen Theologie wird das Manna als Präfiguration (Vorläufer) des Leibes Christi interpretiert – des Brotes, das beim Abendmahl ausgeteilt wird. Der Kirchenvater Augustinus argumentierte, das Manna repräsentiere das „himmlische Festmahl“ und finde seine wahre Bedeutung in Jesus.
Die Maida im Koran: Die Tafel, die vom Himmel kam
In der islamischen Tradition wird die vom Himmel gesandte Speise Maida (Tafel) genannt. Im Koran wird sie als ein Wunder beschrieben, das geschah, als die Jünger Jesu fragten: „Kann dein Herr uns eine Tafel vom Himmel herabsenden?“
In der Sure Al-Maida (5:112-115) baten die Jünger Jesus um diesen himmlischen Tisch, und Jesus betete zu Allah: „O Allah, unser Herr, sende uns eine Tafel vom Himmel herab, die für uns, für den Ersten von uns und für den Letzten von uns, ein Fest sein soll und ein Zeichen von Dir. Und versorge uns, denn Du bist der beste Versorger.“
Allah erhörte das Gebet, kündigte aber an, dass „jeder, der danach den Glauben verleugnen würde, schwer bestraft werde.“ Islamischen Gelehrten wie Ibn Kathir zufolge war die Maida ein „großes Wunder zur Zeit Jesu“, gesandt, um den Glauben der Menschen zu stärken. Imam Tabari berichtet, dass der genaue Inhalt der Maida nicht bekannt sei, die Gelehrten sich jedoch einig sind, dass es sich um „vom Himmel gesandte Nahrung“ handelte.
Die historische Dimension des Manna
Historiker und Botaniker weisen darauf hin, dass einige in der Sinai-Wüste wachsende Pflanzen Eigenschaften aufweisen, die dem Manna ähneln. Insbesondere die Manna-Tamariske (Tamarix mannifera) sondert unter bestimmten Bedingungen ein süßes Sekret ab. Die einheimischen Beduinen sammeln diese Substanz noch heute und nennen sie man.
In Anatolien gibt es eine Süßigkeit, die als Kudret Helvası (etwa: Wunder-Halva) bekannt ist. Dabei handelt es sich um ein „süßes Sekret, das sich auf Blättern absetzt“ und traditionell gesammelt und zur Herstellung von Halva verwendet wird. Bis heute wird in Ostanatolien, besonders in der Umgebung von Bitlis und Van, Kudret Helvası gesammelt und als lokale Delikatesse verzehrt.
Mystische und sufistische Interpretationen
In der jüdischen Mystik (Kabbala) repräsentiert das Manna „symbolisch das Licht Gottes.“ Im Sohar wird es als die „materielle Manifestation spiritueller Nahrung“ gesehen. Man glaubte, dass jedes Manna-Korn einen anderen Geschmack hatte, je nach der „spirituellen Reife der Person, die es kostete.“
Christliche Mystiker interpretieren Jesu Aussage „Ich bin das Brot des Lebens“ als „Symbol für die mystische Vereinigung mit dem Göttlichen.“ Im islamischen Sufismus wird die himmlische Tafel (Maida) als „Symbol für spirituelles Wissen und göttliche Erleuchtung“ gesehen. Mevlana Dschelaluddin Rumi sagt im Masnawi: „Das göttliche Wort ist wie Brot, das vom Himmel regnet; es ist Nahrung für die Seele, es nährt die Seele, nicht den Körper.“
Volksglauben und moderne Resonanz
In traditionellen Gesellschaften, besonders im Nahen Osten und in Anatolien, lebt der „Glaube an den Segen vom Himmel“ weiter. Rituale wie Regengebete oder die Ashura-Tradition bestehen als symbolische Praktiken fort, um göttlichen Segen zu erbitten. Das in der Türkei bekannte Kudret Helvası wird in syrisch-christlichen Gemeinden als „Manna d’Shmaya“ („Himmelsmanna“) bezeichnet und bei religiösen Zeremonien verwendet.
Die moderne Wissenschaft hat versucht, das Phänomen „rational zu erklären.“ Einige Botaniker vermuten, dass eine „zuckerhaltige Substanz, die von einer Insektenart auf der Tamariskenpflanze abgesondert wird“, in der Morgenkühle erstarrt, zu Boden fällt und bei Sonnenaufgang schmilzt. Andere Wissenschaftler führen Flechtensporen an, die vom Wind verbreitet werden und bei Befeuchtung aufquellen und essbar werden.
Diese Erklärungen können als „Versuch gesehen werden, das Wunder zu rationalisieren.“ Die Botschaft der religiösen Texte betrifft jedoch „weniger den physischen Mechanismus als vielmehr seinen göttlichen Ursprung“ und die Tatsache, dass es in der „größten Not der Menschen“ geschah.
Fazit: Das gemeinsame Erbe der Menschheit
Ob als Manna, Halva oder Maida bezeichnet – diese Erzählung hat „tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis der Menschheit“ hinterlassen. Dieses Wunder, das in verschiedenen Kulturen und Religionen ähnlich überliefert wird, ist zu einem „Symbol für göttliches Eingreifen, Barmherzigkeit und Segen“ geworden.
Heute erinnert sich die Menschheit vielleicht an jenes alte Wunder, wenn sie trotz aller technologischen Fortschritte immer noch zum Himmel blickt, auf Segen wartet, für Regen betet oder in Zeiten der Not einen spirituellen Hafen sucht. Denn das in heiligen Texten beschriebene Manna vom Himmel hat nicht nur den „physischen Hunger gestillt“, sondern auch den „tieferen, spirituellen Hunger des Menschen angesprochen.“
Die gemeinsame Botschaft aller heiligen Texte ist vielleicht diese: „Wahre Sättigung ist nur durch Nahrung für Körper und Seele möglich.“ Das vom Himmel fallende Manna ist ein „göttliches Geschenk“, das dieses doppelte Bedürfnis befriedigt. Diese Erzählung ist ein jahrtausendealtes Erbe, das den Menschen „Hoffnung gibt“ und in Zeiten der Not „Geduld und Glauben“ lehrt. Jedes Auge, das zum Himmel blickt, wartet vielleicht noch immer auf „jenen wundersamen Regen.“