Das Geheimnis der Wolfschlucht

Deutschland ist voller Migrationsgeschichten. Hamdi Çetinkaya hat seine Geschichte mit uns geteilt, die von Çorum nach Deutschland und zu seinem Werdegang als ein Geschäftsmann, der sich hier selbst hochgearbeitet hat, reicht.

Interview: Sabri Uçar Çalışkan

– Sie besitzen in der Stadt Rodgau, direkt neben dem Wasserturm, ein Unternehmen namens Wolfschlucht, das man als prachtvoll, exzellent und, sogar, als einen paradiesischen Garten bezeichnen kann. Sie führen sowohl ein Restaurant als auch einen Hotelbetrieb und vereinen somit viele Aktivitäten. Zuerst möchten wir Sie ein wenig kennenlernen, damit auch unseren Lesern Sie kennenlernen. Wer ist Hamdi Çetinkaya?

Hamdi Çetinkaya: Ich wurde 1960 im Dorf İsacı, im Landkreis Alaca in Çorum, geboren.  Im Jahr 1976 kam ich im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland. Unsere Eltern sind natürlich verstorben. Da wir als Arbeiterfamilie hierherkamen, habe ich zunächst in einer Firma als Arbeiter angefangen. Ich war damals 16 Jahre alt. Mein größter Traum war es immer, ein eigenes, unabhängiges (self-sufficient) Geschäft aufzubauen. Also der Wunsch, selbstständig zu sein. Da ich aber die Schule abgebrochen habe und über keine beruflichen Kenntnisse verfügte, waren Berufe wie Architekt, Ingenieur, Arzt oder Krankenpfleger für mich unerreichbar. Das Einzige, was mir blieb, war der Einstieg in den Dienstleistungssektor. Und so begann ich mit dem Catering.

– Genau darauf wollte ich zu sprechen kommen. Vor dieser Zeit besaßen Sie ein Unternehmen namens Eda Catering. Sie haben Catering-Dienstleistungen für Hochzeiten und wichtige Tagungen angeboten. Wie Sie bereits erwähnten, haben Sie in diesem Bereich in Bezug auf die Vielfalt der Gerichte, die Produkte und den Geschmack einen großen Unterschied gemacht. Erzählen Sie uns ein wenig über diese Zeit. Wie hat alles begonnen und wie hat es sich entwickelt?

Çetinkaya: Ja, dieser Prozess begann bei mir so: Ich bin von Natur aus ein Mensch, der vorausschauend denkt und innovativ ist. Ich denke nicht nach dem Motto: Jeder macht alles, also mache ich das auch. Denn, und das sage ich auch als Kritik, ohne dass es jemand falsch versteht: Unsere Küche besteht nicht nur aus Döner. Wir haben eine äußerst reichhaltige Küche, die die Zunge, das Auge und den Gaumen anspricht. Aber leider haben wir es trotz unserer 60-jährigen Geschichte in Deutschland nicht geschafft, diese zu präsentieren. Das hängt mit unserem Charakter zusammen, dem Charakter der türkischen Menschen. Wir neigen dazu, immer den einfachsten Weg zum Geldverdienen zu suchen. Denn die Gastronomie ist eigentlich ein sehr schwieriges Geschäft. Die Gäste zufriedenzustellen, Fachpersonal zu beschäftigen und die Kontinuität zu gewährleisten, war das Schwierigste.

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– Nach dieser Phase haben Sie sich um diesen Ort hier bemüht. Lassen Sie uns ein wenig darüber sprechen. Wie hat es angefangen und was ist daraus geworden? Soweit ich weiß, war dieser Ort nicht immer so. Er war ziemlich heruntergekommen. Sie haben ihn in einen unglaublich schönen Zustand versetzt. Wie ist das passiert? Erzählen Sie uns davon.

Çetinkaya: Wie gesagt, das hat mit dem Charakter zu tun. Wenn man etwas macht, sollte man es richtig machen. Es geht hier weniger ums Geldverdienen als vielmehr darum, dem Kunden einen guten Service zu bieten. Ich bin sowieso nie dem Geld hinterhergelaufen. Wenn der Erfolg da ist, kommt das Geld von selbst. Wir haben diesen Ort 2017 übernommen. Er war jedoch in einem sehr schlechten Zustand. Soweit ich weiß, gehörte er einer polnischen Dame. Sie hatte drei Jahre lang versucht, ihn zu verkaufen, aber ohne Erfolg. Der Grund war, dass die Leute sich unwohl fühlten, wenn sie hierherkamen; er war sehr heruntergekommen und ungepflegt. Da ich mich in der Branche auskenne, hatte ich keine Angst. Das ist etwas, das in der Hand eines Menschen liegt. Wenn man will, kann man diesen Ort in ein Paradies verwandeln. Aber natürlich habe ich viel Geld investiert, daran habe ich nicht gespart.

– Können Sie uns etwas über die Küchenkultur, die Vielfalt, die Sie Ihren Kunden anbieten, und das allgemeine Kundenpotenzial erzählen?

Çetinkaya: Unser Kundenstamm besteht zu etwa fünfundneunzig Prozent aus Deutschen. Sowohl bei Hochzeiten und Veranstaltungen als auch in unserem Restaurant sind fünfundneunzig Prozent unserer Gäste Deutsche. Zudem ist unsere Speisekarte nicht sehr umfangreich. Wir arbeiten mit ausgewählten Fisch-, Fleisch-, Pasta- und Salatprodukten.

– Gibt es in Ihrer Küche auch Gerichte, die die türkische Esskultur widerspiegeln?

Hamdi Çetinkaya:Natürlich. Zum Beispiel gefüllte Auberginen. Besonders wenn wir Catering für deutsche Kunden machen, besteht unsere Speisekarte zu neunundneunzig Prozent aus türkischer Küche. Ob gefüllte Weinblätter in Olivenöl, Kısır, unsere Kebabsorten oder Adana-Kebab – wir präsentieren alles bis ins kleinste Detail.

– Esskultur bedeutet auch, ein Kulturbotschafter zu sein. Erhalten Sie diesbezüglich Feedback von der Gesellschaft?

Çetinkaya:Auf jeden Fall, wir erhalten sehr positives Feedback. Der Grund dafür ist, dass etwa neunzig Prozent der Deutschen schon einmal in der Türkei im Urlaub waren. Sie kennen also die türkische Gesellschaft aus den Hotels. Wenn sie hierherkommen und auf einen noch besseren Geschmack stoßen, bekommen wir wirklich sehr positive Rückmeldungen.

– Obwohl Sie, wie Sie erwähnen, einen so hochwertigen Service anbieten, ist Ihre Preisgestaltung nicht astronomisch. Sie haben eine durchschnittliche Preisspanne. Wie ist das möglich?

Çetinkaya:Das liegt daran, dass uns der Ort gehört und wir die Produktion selbst in der Hand haben, wodurch wir bei den Preisen flexibler sein können. Es hat keinen Sinn, für etwas einen überhöhten Preis zu verlangen. Zudem ist die Kalkulation sehr, sehr wichtig. Wir halten alles auf einem normalen Niveau.

– Sie sind übrigens auch eine sozial engagierte Person und nehmen häufig an Veranstaltungen der türkischen Gemeinschaft teil und unterstützen diese als Sponsor. Erzählen Sie uns ein wenig über diesen Aspekt.

Çetinkaya:Ich komme aus einer armen Familie. Als ich das erste Mal nach Deutschland kam, rutschte ich an einem regnerischen Tag aus und fiel hin. Als ich nach Hause kam, wusch meine verstorbene Mutter meine Hose. Bis sie trocken war, wartete ich zu Hause. Ich will damit sagen, ich hatte keine zweite Hose zum Wechseln. Wenn man aus solchen Verhältnissen kommt, wird man sozial engagiert. Ich bin keiner von denen, die überheblich werden, nur weil sie Geld haben.

– Erfolgreichen Menschen stelle ich generell diese Frage: Welchen Rat geben Sie Leuten, die einen ähnlichen Weg einschlagen wollen?

Çetinkaya: Zuerst rate ich ihnen, das zu tun, worin sie sich auskennen. Unbedingt. Und sie sollen auf keinen Fall überheblich werden. Wenn man ein Geschäft gründet, sollte man sich nicht sofort als der große Chef sehen. Man sollte nicht überheblich werden oder übertreiben. Ich benutze heute noch ein sehr günstiges Handy. Ich gehe selbst einkaufen, spüle bei Bedarf Geschirr oder fege den Boden. Bescheidenheit ist die Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg. Man sollte immer mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben.

– Hat Ihnen diese Branche über ihren eigentlichen Inhalt hinaus noch andere Erfahrungen gebracht?

Çetinkaya: Ja, natürlich sammelt man viele Erfahrungen. Zum Beispiel Menschenkenntnis und wie man mit Menschen kommuniziert. Man lernt, Menschen einzuschätzen, ihren Charakter und ihre Maßstäbe zu verstehen.

– Nun zum Abschluss, was möchten Sie unseren Zuschauern und Lesern sagen?

Çetinkaya: Ich sende allen herzliche Grüße. Wer erfolgreich sein und ein Geschäft aufbauen möchte, kann gerne vorbeikommen und persönlich mit mir sprechen. Definitiv, dafür nehme ich mir Zeit.

– Vielen Dank, Herr Çetinkaya, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Auf Wiedersehen.

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