Syndrom der ewigen Schuld

Deutschland fühlt sich einerseits verpflichtet, Israel zu unterstützen, muss aber andererseits aufgrund des Holocaust-Traumas vorsichtig mit Gewaltsprache umgehen. Merz‘ Drecksarbeit-Äußerung stört diese heikle Balance und bringt Deutschland in eine widersprüchliche Position.
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Sebahattin Çelebi, Frankfurt

Mitte Juni 2025, während des G7-Gipfels in Kanada, löste ein einziges Wort des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz eine Debatte aus, deren Nachhall die internationale Politik noch lange beschäftigen dürfte. „Das ist die Drecksarbeit, die Israel für uns alle macht“ – diese Worte waren nicht nur eine Aussage, sondern ein Moment, der die „sprachlichen und ethischen Grenzen“ der zeitgenössischen deutschen Politik auf die Probe stellte.

Was wurde gesagt und warum?

Merz äußerte sich in einem ZDF-Interview lobend über eine israelische Militäroperation im Iran: „Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“ Diese Worte waren mehr als nur eine diplomatische Unterstützungserklärung. Merz rahmte Israels Aktionen als einen „Dienst für den Westen“: „Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe in der Hand.“

Drecksarbeit: Das Gewicht eines Wortes

Der Begriff „Drecksarbeit“ ist im Deutschen „außerordentlich schwerwiegend.“ Er beschreibt nicht nur eine „schmutzige Arbeit“, sondern impliziert auch die „moralische Ambiguität einer Handlung“ – eine unerwünschte, aber als notwendig erachtete Aktion. Die Psychologie hinter Merz‘ Wortwahl ist bemerkenswert: Einerseits unterstützt er Israels Handeln, andererseits räumt er durch die Wahl des Begriffs ein, dass diese Aktionen „schmutzig“ sind. Dies ist ein seltenes Beispiel für „Offenheit in der deutschen politischen Rhetorik“, aber gleichzeitig ein „hochriskantes Unterfangen.“

Sturm in der Innenpolitik

Die erste scharfe Kritik vom Koalitionspartner kam von SPD-Politiker Ralf Stegner: „Wenn der Bundeskanzler sagt, Israel mache im Iran die Drecksarbeit für uns, ist das mehr als befremdlich.“ BSW-Chefin Sahra Wagenknecht wählte noch härtere Töne: „Merz legitimiert in unverfrorener Weise einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.“

Reaktionen aus intellektuellen Kreisen

Der Schriftsteller Navid Kermani gehörte zu den schärfsten Kritikern von Merz‘ Worten: „Wen meint er mit Dreck?“ „Damit meint er offenbar die Menschen, die im Iran in den Hochhäusern ohne Luftschutzkeller sitzen.“ Kermanis Kritik war „zutiefst persönlich“: „Das sind meine Verwandten, meine Cousinen und Cousins, meine Kollegen und Freunde.“

Internationale Reaktionen

Die Reaktion der iranischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten. Der deutsche Botschafter wurde in Teheran einbestellt, und es wurde offiziell „gegen die schändlichen Äußerungen des deutschen Kanzlers protestiert.“

Die Tatsache, dass Deutschland aufgrund der Naziverbrechen eine „besondere Verantwortung für Israel und das jüdische Volk trägt“, macht Merz‘ Worte noch problematischer. Diese historische Verantwortung bringt auch die „Pflicht zur politischen und rhetorischen Vorsicht“ mit sich. Dieses Paradox zeigt sich in mehreren Dimensionen: Deutschland fühlt sich einerseits verpflichtet, Israel zu unterstützen, muss aber andererseits aufgrund des Holocaust-Traumas vorsichtig mit „gewaltbejahender Sprache“ umgehen. Merz‘ Drecksarbeit-Äußerung bringt dieses „heikle Gleichgewicht ins Wanken“ und Deutschland in eine „widersprüchliche Position.“

Darüber hinaus wird Merz‘ Wortwahl noch problematischer, wenn man bedenkt, dass das Nazi-Regime „verschiedene Begriffe und Euphemismen für seine Verbrechen verwendete.“ Historiker dokumentieren seit Langem, wie das Regime „Säuberungs-Metaphern“ für systematische Massaker nutzte. In diesem Kontext kann ein deutscher Regierungschef, der von Drecksarbeit spricht, ungewollt an diese „dunkle Geschichte“ erinnern. Kritiker betonen, dass Deutschlands historische Verantwortung nicht nur darin besteht, Israel zu unterstützen, sondern auch darin, „universelle humanitäre Werte zu schützen.“ Die Bezeichnung der Leiden des iranischen Volkes als Drecksarbeit kann somit „Deutschlands moralische Glaubwürdigkeit untergraben.“

Kritiker argumentieren, dass Merz mit einer solchen Äußerung „das Völkerrecht missachte“ und es „willkürlich interpretiere.“ Dies könnte „Deutschlands Glaubwürdigkeit gegenüber vielen Ländern des Globalen Südens beschädigen.“

Der Trump-Vergleich

Einige Beobachter stellen fest, dass Merz‘ Sprache „rhetorisch nur noch ein oder zwei Schritte von der Sprechweise eines Donald Trump entfernt sei.“ Dieser Vergleich könnte ein Indikator dafür sein, ob die europäische Politik „zunehmend in eine populistisch-amerikanische Richtung abdriftet.“

Medien und öffentliche Reaktionen

Obwohl die Kritik überwog, gab es auch Stimmen, die Merz‘ Worte unterstützten. Dies galt besonders für jene, die die Ansicht teilen, dass „ein Regime in Teheran nicht einfach so weitermachen kann wie bis letzte Woche Donnerstag.“ Kritiker hingegen betonten, dass Merz „auf einmal wie Trump spreche“ und „diese Art der Sprache nicht zur deutschen politischen Tradition passe.“

Friedrich Merz‘ Drecksarbeit-Äußerung legte einen der „empfindlichsten Nerven der modernen Politik“ bloß: dass nicht nur Handlungen, sondern auch Worte Gewicht und Konsequenzen haben. Jedes Wort, das ein Bundeskanzler verwendet, beeinflusst nicht nur die aktuelle Situation, sondern auch „zukünftige diplomatische Beziehungen.“

Dieses Ereignis ging als „ein Moment in die Geschichte“ ein, der die „sprachlichen Grenzen der zeitgenössischen deutschen Politik“ auf die Probe stellte. Merz‘ Worte können sowohl als „offener Ausdruck der Unterstützung für Israel“ als auch als „pragmatische Interpretation des Völkerrechts“ gelesen werden. Die Intensität der Kritik zeigt jedoch, dass die politischen Kosten solcher Offenheit „beträchtlich“ sind. Besonders für ein Land wie Deutschland, das mit historischen Verantwortungen belastet ist, muss jedes Wort „sorgfältig abgewogen“ und seine Konsequenzen müssen „im Voraus kalkuliert“ werden. Die Drecksarbeit-Rhetorik wird als „Wendepunkt in der politischen Sprache des Jahres 2025“ in Erinnerung bleiben und für zukünftige Führungskräfte sowohl als „Beispiel als auch als Warnung“ dienen.

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